Wenn die Tiefkühlpizza auf dem Weg vom Supermarkt antaut, ist das ärgerlich. Beim Pharmatransport kann eine Unterbrechung der Kühlkette im schlimmsten Fall tödlich sein für den Patienten, der ein unwirksames oder gar schädliches Medikament bekommt. Das Thema war in den Medien präsent, als anlässlich der Knappheit einiger Arzneimittel der Vorschlag einer „Nachbarschaftshilfe“ gemacht wurde. Gut gemeint, aber höchst gefährlich: Denn selbst bei nicht angebrochenen Packungen mit einem Verfallsdatum in der Zukunft ist nicht sichergestellt, dass die Lagerbedingungen in der Hausapotheke stets eingehalten wurden.
Diese Vorschriften sind zu beachten
Die gesetzliche Grundlage für den Handel mit Humanarzneimitteln in Deutschland ist die Arzneimittelhandelsverordnung. Damit wurde eine EU-weit gültige Leitlinie aus dem Jahr 2013, die „Good Distribution Practice of medicinal products for human use“ (GDP, deutsch „gute Vertriebspraxis von Humanarzneimitteln“) in nationales Recht umgesetzt. Kapitel 9 der GDP enthält Regelungen für die Transportkette. Dabei geht es nicht nur um Qualität und Unversehrtheit der Produkte, sondern auch um Sicherung gegen Diebstahl und dagegen, dass Arzneimittel in falsche Hände geraten. Bezüglich des Fahrzeugeinsatzes empfiehlt die GDP ausschließlich diesem Zweck vorbehaltene Fahrzeuge. Damit soll die wertvolle Fracht gegen Verunreinigungen geschützt, vor allem aber das vorgegebene Temperaturfenster strikt eingehalten werden. Konkretisiert wird die GDP durch die DIN SPEC 91323 für klimatisierte Nutzfahrzeuge, die Arzneimittel der Human- und Veterinärmedizin transportieren.
Standardfahrzeug wird zur Klimakammer
Die äußerlich unscheinbaren Pharmafahrzeuge, die die Apotheken an den Großhandel anbinden und oft an dem Aufkleber „Eilige Arzneimittel“ erkennbar sind, benötigen eine Sonderausstattung, um die Anforderungen an einen sicheren Transport im heißen Sommer ebenso zu erfüllen wie bei Minusgraden im Winter. Das übliche Temperaturfenster liegt zwischen 15 und 25 °C. Nur wenige besondere Medikamente stellen extreme Anforderungen – so zum Beispiel die mRNA-Impfstoffe gegen Covid 19, die bei -90 bis -60 °C (Biontech) bzw. -25 bis -15 °C (Moderna) rund ein halbes Jahr haltbar sind. Spezialanbieter wie ABZ Nutzfahrzeuge rüsten serienmäßige Vans und Sprinter mit Pharmaausbauten aus, die exakt auf die Vorgaben der GDP angepasst sind. Damit der Einsatz der Pharmafahrzeuge trotz der Ausbauten wirtschaftlich bleibt, müssen Ladevolumen und das zulässige Gewicht der Ladung möglichst weitgehend erhalten bleiben.
Ein Klimagerät heizt im Winter und sorgt im Sommer für kühle Luft. Gleichzeitig entfeuchtet die Klimaanlage die Luft, sodass es keine Probleme mit Kondenswasser geben kann. Die Temperaturdaten werden aufgezeichnet und in Echtzeit übermittelt, sodass die Einhaltung der Lagerbedingungen jederzeit nachgewiesen werden kann. Beim Dimensionieren der Anlage ist berücksichtigt, dass die Türen zum Laderaum durch den Lieferverkehr auf kurzen Strecken häufig geöffnet werden.
Nicht nur Temperaturschwankungen bedrohen die Unversehrtheit von Arzneimitteln. Im dichten Stadtverkehr sind Notbremsungen an der Tagesordnung, und auch ein Unfall lässt sich nicht ausschließen. Entsprechend muss der Boden des Laderaums mit Anti-Rutschmatten ausgestattet sein, die Seitenwände einschließlich der Radkästen so verkleidet, dass die Medikamenten-Boxen möglichst passgenau untergebracht werden können. Eine wichtige Ergänzung sind mobile Prallplatten, die je nach Beladung als Zwischenwände flexibel eingesetzt werden.
Bild: Bigstockphoto.com / Yulia Petrova